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43 Referenzauskunft; Genugtuung Im Bewerbungsverfahren dürfen keine (vom Stellenbewerber) nicht auto- risierten Referenzauskünfte bei früheren Arbeitgebern eingeholt werden, solange kein besonderer Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 13 DSG vorliegt. Dieser Grundsatz gilt kraft des Verweises in § 4 Abs. 3 GAL i.V.m. Art. 328b OR auf Art. 12 Abs. 2 lit. c DSG auch für im Kanton Aar- gau tätige Lehrpersonen, selbst wenn der Schutz des kantonalen Daten- schutzrechts (IDAG) weniger weit reichen sollte. Für die Zusprechung ei- ner Genugtuung wog jedoch die Persönlichkeitsverletzung im konkreten Fall zu wenig schwer.
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Aus dem Entscheid des Verwaltungsgerichts, 1. Kammer, vom 19. Oktober 2016 in Sachen A. gegen Kreisschule B. (WKL.2016.1). Aus den Erwägungen II. 3. 3.1. Im Eventualpunkt möchte der Kläger eine Genugtuung dafür er hältlich machen, dass die Beklagte nach dem Vertragsabschluss ohne sein Einverständnis Referenzen bei früheren Arbeitgebern eingeholt hat. 3.2. Gemäss § 16 Abs. 1 GAL achtet und schützt die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber die Persönlichkeit der Lehrpersonen. Die in dieser Norm zum Ausdruck kommende Fürsorgepflicht des Arbeitge bers gilt zwar im vorvertraglichen Stadium der Stellenbewerbung grundsätzlich nicht; sie gelangt erst ab (gültig) erfolgtem Vertragsab schluss, teilweise auch erst ab Stellenantritt zur Anwendung. Eine Vorwirkung der Schutz- und Fürsorgepflichten des Arbeitgebers be steht aber immerhin im Bereich der Datenbearbeitung (vgl. ULLIN STREIFF/ADRIAN VON KAENEL/ROGER RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Auflage, Zürich/Basel/Genf 2012, Art. 328 N 21). Für den Um gang mit Personendaten verweist § 16 Abs. 4 GAL auf das IDAG. Das Einholen und Erteilen von Referenzen sind Datenbearbeitungen, die den Beschränkungen der Datenschutzgesetzgebung unterliegen (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a N 8). Aus Art. 12 Abs. 2 lit. c DSG, wonach besonders schützenswerte Personendaten Persönlichkeitsprofile Dritten nicht ohne Rechtfertigungsgrund bekanntgegeben werden dürfen, wird abgeleitet, dass Referenzen nur noch mit Zustimmung des Arbeitnehmers eingeholt und erteilt wer den dürfen, da sie in aller Regel eine Beurteilung wesentlicher As pekte der Persönlichkeit des Arbeitnehmers erlauben und damit ein Persönlichkeitsprofil des Arbeitnehmers darstellen (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 330a N 8). Ob das IDAG eine ver-
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gleichbare Regelung enthält, ist nicht ganz klar, aufgrund des Wort lautes der §§ 8 Abs. 2, 13 Abs. 2 und 14 Abs. 2 jedoch anzunehmen. Auf jeden Fall ist über § 4 Abs. 3 GAL ("Die Minimalansprüche zum Schutz der Lehrpersonen entsprechen denjenigen des Schweizeri schen Obligationenrechts und sind in jedem Fall einzuhalten. Vorbe halten bleiben Bestimmungen in diesem Gesetz.") und Art. 328b OR, der für die Bearbeitung von Personendaten auf das DSG verweist, si chergestellt, dass auch über im Kanton Aargau tätige Lehrpersonen, obwohl der persönliche Geltungsbereich des DSG auf Privatpersonen und Bundesorgane beschränkt ist (Art. 2 Abs. 1 DSG), keine unauto risierten Referenzen bei früheren Arbeitgebern eingeholt werden dür fen, solange kein besonderer Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 13 DSG vorliegt. 3.3. Die Beklagte meint, die Einholung von Referenzen bei früheren Arbeitgebern des Klägers sei rechtens gewesen. Schliesslich sei sie vom BKS dazu angewiesen worden und verpflichtet, Anordnungen der vorgesetzten Stelle zu befolgen. Die Zeit habe sehr gedrängt. Die Weisung des BKS sei kurz vor Beginn der Stellvertretung erfolgt. Davon abgesehen müsse die Eignung von Lehrpersonen sorgfältig abgeklärt werden, um präventiv Probleme zu vermeiden. Die Refe renzauskünfte hätten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem An stellungsvertrag des Klägers gestanden. Keine der angefragten Stel len habe in irgendeiner Art verlauten lassen, dass der Erteilung von Referenzauskünften über die Gründe der Auflösung der Anstellungs verhältnisse mit dem Kläger etwas entgegenstehen könnte der Kläger seine Zustimmung zur Erteilung von Referenzauskünften ver weigert habe. Die Beklagte habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass ihr Vorgehen korrekt gewesen sei. 3.4. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Genau so wenig wie die Beklagte wäre das BKS befugt, ohne Einwilligung des Arbeitneh mers Referenzen bei früheren Arbeitgebern einzuholen Entspre chendes anzuordnen. Ob es sich bei der Feststellung in der E-Mail ei ner BKS-Mitarbeiterin vom 15. Januar 2015, "Ich habe die Order er halten, dass wenn Sie Herrn A. anstellen möchten, unbedingt Refe-
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renzen einholen sich mit (...) in Verbindung setzen", tatsächlich um eine Weisung, vielmehr um eine Empfehlung handelte, ist offen. Jedenfalls wurde die Beklagte nicht angewiesen, ohne Einwil ligung des Klägers zu handeln. Auf Zeitmangel kann sich die Be klagte nicht berufen, nachdem sie es versäumt hat, noch vor Ver tragsabschluss Referenzen über den Kläger einzuholen. Obendrein leuchtet nicht ein, weshalb es zu viel Zeit gekostet hätte, den Kläger um seine Einwilligung zu bitten. Hätte er diese verweigert, hätte die Beklagte immer noch ihr Interesse an der sorgfältigen Abklärung der Eignung des Klägers als Rechtfertigungsgrund für eine Datenbear beitung anrufen können. Ihr klandestines Vorgehen war unter keinen Umständen angezeigt, zumal dem Kläger dadurch die Kontrolle über ihn betreffende, hochsensible und womöglich nicht einmal gesicherte Informationen vollständig entzogen war. Korrekterweise hätten sich die früheren Arbeitgeber des Klägers weigern müssen, ohne aus drückliche und hinreichend dokumentierte Zustimmung des Klägers Referenzauskünfte zu erteilen. Dass sie es nicht getan haben, entband die Beklagte nicht davon, sich um die Zustimmung des Klägers zu bemühen. Es war ihre Aufgabe, nicht diejenige der angefragten Stel len, sich die Einholung und Erteilung von Referenzen vom Kläger autorisieren zu lassen. Weil sie dies unterlassen hat, hat sie durch eine unrechtmässige Datenbeschaffung den Kläger in seiner Persön lichkeit verletzt. Dem tut das fehlende Unrechtsbewusstsein bzw. die fehlende Rechtskenntnis der beklagtischen Vertreter kein Abbruch. 3.5. Das Vorliegen einer (widerrechtlichen) Persönlichkeitsverlet zung allein begründet jedoch noch keinen Genugtuungsanspruch nach Art. 49 OR. Ein solcher setzt zusätzlich objektiv eine gewisse Schwere der Persönlichkeitsverletzung und subjektiv beim Arbeit nehmer eine ausreichend starke moralische Unbill voraus, die es als legitim erscheinen lässt, dass sich die betroffene Person an den Rich ter wendet, um eine Genugtuung zu erhalten (vgl. Art. 49 Abs. 1 OR; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., Art. 328 N 19 mit Hinwei- sen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Vor allem an einer ausreichend starken moralischen Unbill fehlt es im vorliegenden Fall. Den Kläger mag es geschmerzt haben, dass und unter welchen
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Umständen er die Stelle bei der Beklagten nicht antreten konnte. Re lativierend ist anzumerken, dass eine eher kurze Stellvertretung von wenigen Wochen zur Diskussion steht. Auf eine neue Anstellung musste der Kläger nicht besonders lange warten. Per Mitte April 2015 konnte er bereits die Stellvertretung an der Kreisschule C. über nehmen. Im Lichte dessen kann nicht gesagt werden, das unautori sierte Einholen von Referenzen hätte das wirtschaftliche Fortkom men des Klägers nachhaltig erschwert und sein psychisches Wohler gehen erheblich beeinträchtigt. Das Verhalten der Beklagten war auch nicht dazu angetan, den Ruf des Klägers weiter zu schädigen bzw. den Kläger bei weiteren Personenkreisen in Verruf zu bringen. Sie kontaktierte ausschliesslich Stellen, die mit den Problemen des Klägers bezüglich Nähe/Distanz zu Schülerinnen schon vertraut wa ren. Dabei muss man sich auch vor Augen halten, dass der Kläger der Beklagten kaum hätte verbieten können, Referenzen bei früheren Ar beitgebern einzuholen, ohne dadurch in Erklärungsnotstand zu gera ten und die Beklagte misstrauisch zu machen. Alles in allem wiegt deshalb die von der Beklagten gegenüber dem Kläger begangene Persönlichkeitsverletzung auch in objektiver Hinsicht nicht derart schwer, dass sich ein Schmerzensgeld aufdrängen würde. Es besteht folglich kein Anspruch auf Genugtuung, womit auch dem klägeri schen Eventualantrag nicht stattgegeben werden kann. Einen Schadenersatzanspruch aus Persönlichkeitsverletzung bzw. widerrechtlicher Datenbearbeitung macht der Kläger nicht gel tend. Nebenbei bemerkt müsste ein solcher Anspruch damit begrün det werden, dass dem Kläger ein Schaden durch das unautorisierte Einholen von Referenzen an sich (also nicht durch die Auflösung des Anstellungsvertrags) entstanden ist. Für das Erfüllungsinteresse (in Form von Lohn- und/oder Entschädigungszahlungen) bleibt deshalb auch hier kein Raum.
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